Danzig – Polens Königin der Ostsee?
Nun sind wir schon fast eine Woche mit dem Wohnmobil unterwegs. Wir waren auf Usedom und sind entlang der westlichen Ostseeküste (das klingt verwirrend, war aber so) gefahren. Jetzt steht der erste Aufenthalt in einer größeren Stadt bevor. Tatsächlich ist Danzig (Gdańsk) mit ungefähr 465.000 Einwohnern nur die sechstgrößte Stadt Polens. Auch die fünftgrößte, Posen (Poznań), werden wir im Laufe unserer Reise noch besuchen. Die vier größten Städte liegen alle zu weit ab von unserer Route.
Die Innenstadt Danzigs ist flächenmäßig überschaubar – bietet aber eine solche Fülle an Sehenswürdigkeiten, dass Du Dir gut überlegen musst, wie Du Deine Zeit einteilst und wo Du Prioritäten setzt. Oder Du machst es wie wir, lässt Dich einfach treiben und sagst Dir: was ich schaffe, das schaffe ich. Und für den Rest komme ich gerne noch einmal wieder.
Die Rechtsstadt
Die Straßenbahnlinie 3 bringt uns direkt in die Innenstadt. Wir steigen an der Haltestelle Brama Wyżynna (Hohes Tor) aus. Das Hohe Tor ist ein Stadttor und Teil der alten Befestigungsanlagen. Von dort aus gehen wir durch das Goldene Tor (Złota Brama).
Dahinter beginnt die Lange Gasse (daher wird das Tor auch Langgasser Tor genannt; auf polnisch: ulica Długa). Ab hier kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus: ein prachtvolles Patrizierhaus reiht sich an das nächste! Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Danzig im 2. Weltkrieg quasi völlig zerstört wurde. Der Wiederaufbau muss ein immenser Kraftakt gewesen sein.
Dieser Teil Danzigs wird übrigens als Rechtsstadt bezeichnet, was aber nicht heißt, dass es auch eine Linksstadt gäbe, und ist nicht zu verwechseln mit der Altstadt. Es ist kompliziert. Das soll Deinen Augenschmaus aber nicht stören. Dort wo die Langgasse in den Langen Markt (Długi Targ) übergeht, liegt auf der linken Seite das Rechtsstädtische Rathaus (Ratusz Głównego Miasta). Einen Besuch des prachtvollen Backsteinbaus sparen wir uns an diesem Tag, auch wenn man von der Aussichtsplattform des Rathausturms einen herrlichen Blick über die Stadt haben soll – den bekommen wir später noch vom Turm der Marienkirche.
Gleich neben dem Rathaus befindet sich der weißgetünchte Bau des Artushofs (Dwór Artusa), davor der Neptunbrunnen. Neptun trägt heute ein weißes T-Shirt, da hat sich wohl jemand einen Scherz erlaubt.
Durch das Grüne Tor (Brama Zielona) verlassen wir den Langen Markt und gelangen zum Uferkai an der Mottlau (Motława). Hier legen die Ausflugsdampfer ab – auch hier wieder die obligatorischen auf Seeräuberschiff getrimmten Touristenboote. Du kannst von hier aus auch ins benachbarte Seebad Zoppot fahren, was wir am nächsten Tag gemacht haben.
Diesseits des Flusses liegen gleich wieder zahlreiche historische Bauwerke. Es gibt überraschende Parallelen zu Lüneburg: das Brotbänketor (Brama Chlebnicka; in Lüneburg gibt es die Straße An den Brodbänken) und das Krantor (Brama Żuraw), das, ebenso wie in Lüneburg der Alte Kran, zu den markantesten Bauwerken gehört. Dazwischen liegt noch das Frauentor (Brama Mariack), durch das wir gleich den Weg über die Frauengasse (ul. Mariacka) in Richtung Marienkirche einschlagen werden. Vorher werfen wir aber noch einen Blick auf das gegenüberliegende Flussufer: Hier auf der Speicherinsel wird fleißig gebaut. Von den alten Speicherhäusern, die vom 13. bis zum 16. Jahrhundert hier entstanden, haben nur sehr wenige den 2. Weltkrieg überstanden. Die hier entstehenden Neubauten nehmen den alten Baustil auf, kombiniert mit modernen Elementen. Es erinnert ein wenig an die Hamburger Speicherstadt/HafenCity.
Der Reiseführer empfiehlt, direkt durch das Brotbänketor gleich wieder zurück in die Rechtsstadt zu gehen. Parallel durch das Frauentor in die Frauengasse zu gehen, war aber auch keine schlechte Wahl. Denn hier gibt es eine außergewöhnliche Architektur zu bestaunen: die sogenannten Beischläge. Dabei handelt es sich um vorgelagerte Terrassen, die ungefähr einen Meter über dem Straßenniveau liegen. Denn aus Angst vor Überschwemmungen wurden die Eingänge höhergelegt. Wir gehen jetzt geradeaus auf die Marienkirche zu, die von beeindruckender Größe ist.
Soviel steht fest: Vor einer Besichtigung müssen wir uns zunächst stärken! Hinter der Kirche finden wir die Pierogarnia u Dzika. Eigentlich soll es ja nur eine Kleinigkeit sein, denn wir wollen am Abend auch noch essen gehen. Ein Leichtes für meinen Mann, der sich für eine Pilzsuppe entscheidet. Aber ich kann natürlich an den Piroggi nicht vorbei…. Na gut, sicher werde ich mir die Kalorien bei der Besteigung des Kirchturms wieder abtrainieren.
Mein Eindruck hat nicht getäuscht: tatsächlich ist die Marienkirche die fünftgrößte Kirche der Welt – so behauptet es zumindest mein Reiseführer, während Wikipedia sich hier nicht so genau festlegen möchte. Der Reiseführer ist zwar mehr als 10 Jahre alt, aber ich vermute, dass in dieser Zeit nicht sehr viele neue große Kirchen gebaut wurden. Auch was die Höhe des Glockenturms betrifft, ist man sich uneinig: 78 oder 82 Meter? Egal, ganz schön hoch auf jeden Fall, und ein Aufstieg für die herrliche Aussicht daher unbedingt lohnenswert. Darüber hinaus gibt es auch im Kircheninneren zahlreiche Grabplatten und Kunstwerke zu betrachten. Und die Vorstellung, dass zum Gottesdienst 25.000 Menschen dort Platz finden, ist auf jeden Fall beachtlich.
Uns zieht es jedoch bald wieder nach draußen und zurück ans Ufer der Mottlau. Auch hier an der Uferpromenade, die wir in Richtung Norden entlanggehen, gibt es noch so manches zu sehen. Auf einigen der alten Fassaden kann man noch deutsche Inschriften erkennen. Am gegenüberliegenden Ufer liegt ein altes Speichergebäude, in dem sich heute ein Hotel befindet – auch das erinnert an Hamburg. Die danebenliegende Baltische Philharmonie hat allerdings wenig Ähnlichkeit mit der Elbphilharmonie. Am Ende der Uferpromenade liegt der Fischmarkt. Hier stoßen wir auf die alte Stadtmauer, die die Rechtsstadt von der Altstadt trennt.
Die Altstadt
In der Altstadt erwartet uns noch einmal eine ganz andere Seite von Danzig. Leider kann ich unsere genaue Route nicht mehr ganz nachvollziehen, möchte Dir aber dennoch einige Fotos von Bauwerken zeigen, deren Namen ich rekonstruieren konnte.
Da wäre zunächst die historische Markthalle. Naschkatzen sollten unbedingt hineingehen.
Die Katharinenkirche hätte ich mir wohl auch einmal von hinten anschauen sollen, stelle ich im Nachhinein fest.
Gleich gegenüber auf einer kleinen Insel zwischen zwei Armen des Radaunekanals liegt die Große Mühle (Wielki Młyn).
Das Altstädtische Rathaus (Ratusz Starego Miasta) ist übrigens aus dem Jahre 1595 und damit jünger als das Rechtsstädtische. Wie gesagt, es ist etwas verwirrend.
Da mein Mann eine Schwäche hat für alles, was mit Eisenbahn zu tun hat, schauen wir uns am Ende unseres Rundgangs noch den Hauptbahnhof an. Solltest Du übrigens mit der Bahn fahren, beispielsweise in eine der anderen beiden Städte der Dreistadt, so ist es hilfreich, sich den polnischen Namen „Gdańsk Główny“ zu merken. Der Bahnhof ist hübsch anzusehen, aber leider schwer zu fotografieren und überraschend klein.
Vom Bahnhof aus machen wir uns schließlich wieder auf den Weg zu unserem Ausgangspunkt und gehen noch einmal durch das Goldene Tor. Unzweifelhaft verfügt Danzig über eine Vielzahl an gastronomischen Betrieben. Aber wer uns kennt, kann sich denken, wo wir den Abend beschließen. Ein Besuch des Hard Rock Cafés ist für uns auf Reisen immer ein Muss – zumindest, wenn wir eine Stadt zum ersten Mal besuchen. Denn wir möchten ja unsere Sammlung an Shot-Gläsern ergänzen.
Außerdem ist es hier auch sehr schön direkt am Langen Markt gelegen. Die Cocktails sind gut, wie immer, und auch die Burger schmecken wieder einmal. Und überraschenderweise können wir ausgerechnet hier, in dieser US-amerikanischen Restaurantkette, das legendäre Danziger Goldwasser probieren, einen klaren würzig-süßen Likör, der kleine Blattgoldflocken enthält. „Think global, act local“ – ja, die Betreiber des Hard Rock Cafés wissen, wie’s geht.
Auf dem Langen Markt herrscht noch ein buntes Treiben, als wir uns schließlich auf den Rückweg machen. Die Tram rumpelt wieder ganz ordentlich, bringt uns aber zuverlässig zurück bis zu Endstation, von der aus es nur noch wenige Meter bis zum Campingplatz sind. Viel gesehen, einige Kilometer gelaufen und zuletzt gut gegessen und getrunken – was will man mehr? So sieht für uns ein perfekter Tag aus.
Gut zu wissen
Danzig bildet zusammen mit den gleich daneben liegenden Städten Zoppot (Sopot) und Gdingen (Gdynia) die sogenannte Dreistadt (Trójmiasto). Zusammen kämen die drei Städte auf knapp 750.000 Einwohner und lägen damit wahrscheinlich auf Platz zwei oder drei. Für Danzig alleine solltest Du mindestens einen ganzen Tag, also idealerweise zwei Übernachtungen einplanen. Möchtest Du den Nachbarstädten auch noch einen Besuch abstatten, empfehle ich Die eine weitere Übernachtung. Da wir auf einem Campingplatz etwas weiter außerhalb übernachtet haben, kam für uns noch die Fahrt mit der Straßenbahn in die Innenstadt als weiterer Zeitfaktor hinzu. Die Anreise ist übrigens nicht zu unterschätzen: auf dem dichten Straßennetz rund um die Dreistadt herrscht reger Verkehr, vor allem zur rush hour. Und noch eine Bemerkung: Falls Du, wie wir, etwas altmodisch bist und gerne mit „richtigen“ (gedruckten!) Straßenkarten arbeitest, vergiss die zehn Jahre alte Karte, die Dir Deine Freunde bereitwillig geliehen haben. Sie ist Geschichte.
Hier habe ich übernachtet schnipp
Camping „Stogi“ Nr. 218
ul. Wydmy 9
80-656 Gdańsk
Der Campingplatz ist einer von mehreren in dieser Gegend, im Nordosten Danzigs. Wir haben ihn ausgewählt, weil er im Netz die besten Kritiken bekam, und wurden nicht enttäuscht. Die Straßenbahn in die Innenstadt fährt regelmäßig, auch abends, und braucht ungefähr eine halbe Stunde. Der Platz war Ende August noch sehr gut besucht, hauptsächlich von deutschen Urlaubern. Wir hatten Glück und bekamen noch ein kleines Plätzchen unter einem Baum – ohne Satellitenempfang, was für uns völlig ok war, für viele unserer deutschen Nachbarn aber wahrscheinlich inakzeptabel gewesen wäre. Der Platz ist gut ausgestattet, man kann dort morgens frische Brötchen kaufen und tagsüber Kleinigkeiten essen oder ein frisch gezapftes Bier trinken. Auch ein Strand befindet sich fußläufig.
Hier habe ich gegessen
Hard Rock Cafe Gdansk
ul. Długi Targ 35/38
80-830 Gdańsk
Mehr als oben erwähnt muss man ja eigentlich über ein Hard Rock Café nicht sagen – entweder man mag diese Art von Gastronomie oder nicht. Hier kommt jedoch im Sommer die wirklich schöne Lage direkt am Langen Markt mit Außenplätzen hinzu.
Am nächsten Tag haben wir noch einen Ausflug nach Zoppot gemacht – hin mit dem Schiff (was nicht so lohnenswert war, wie wir gehofft hatten) und zurück mit der Bahn (daher der Hinweis auf den korrekten Namen des Danziger Hauptbahnhofs). Zoppot ist ein hübsches kleines Seebad, über das ich mich hier gar nicht näher auslassen möchte. Aber wir fanden dort eine absolute kulinarische Perle, die nicht unerwähnt bleiben darf:
Stacja Sopot
ul. Władysława Jagiełły 3/1
81-757 Sopot
Die Website ist leider nur auf polnisch, die Speisekarte aber auch englisch. Das Restaurant befindet sich in einer alten Stadtvilla in einer ruhigen Seitenstraße abseits der Touristenströme und ist sehr modern eingerichtet. Ebenso modern ist die Küche, die sich der Idee des Slow Food verschrieben hat. Die freundliche junge Bedienung sprach ein relativ gutes Englisch. Wir waren schlichtweg begeistert! Das wäre definitiv ein Restaurant, welches wir häufiger besuchen würden, wenn es in unserer Nähe liegen würde. Den Weg zurück nach Danzig haben wir mit der Bahn angetreten.