Schloss Türnich und die Lindenkathedrale
Ein einladender Duft nach leckerem Essen begrüßt mich beim Betreten von Schloss Türnich. Im Innenhof herrscht geschäftiges Treiben. Ein Gemüsehändler bietet Biogemüse aus dem schlosseigenen Garten, im Café zu meiner Linken sitzen die Menschen gemütlich bei einem Stück Kuchen und rechts von mir weht der Lavendel am Schlossgraben leicht im Wind.
Das Herrenhaus von Schloss Türnich mit seiner angrenzenden Kapelle erhebt sich vor mir. Leider kann das Schloss derzeit nicht besichtigt werden. Durch das Absinken des Grundwasserspiegels in Folge des Braunkohletagebaus kam es in den 70er Jahren zu statischen Problemen, die Familie musste aus dem Schloss ausziehen. Seit dieser Zeit ist es nicht mehr bewohnbar.
Ich bin zu einer Gartenführung verabredet und habe noch ein paar Minuten Zeit mich umzuschauen. Um den rechteckigen Innenhof des Schlosses liegen die Rentei – dort wurden früher die Einkünfte des Lehnsherren verwaltet, eine Scheune und das Café Schloss Türnich. Im Zentrum des Innenhofes leuchten mir allerlei Pflanzen entgegen. Hier hat ein Heilmittelhersteller einen Heilpflanzengarten angelegt.
Pünktlich zur verabredeten Zeit kommt ein Herr mit dem Fahrrad angebraust. „Sind Sie für die Führung hier?“ Allseitiges Kopfnicken. „Prima. Mein Name ist Severin Hoensbroech und ich möchte ihnen heute die Gärten und Parkanlagen von Schloss Türnich zeigen.“ Nach einer Einführung in die Geschichte von Schloss Türnich erzählt uns der Schlossherr, das er sich vor drei Jahren zum Ziel gemacht hat, Schloss Türnich zu renovieren und öffentlich zugänglich zu machen. Er möchte den Menschen aus der Region, die oftmals durch den Tagebau entwurzelt wurden, eine kulturelle Erbstätte bieten.
Der Schlosspark
Unsere Führung beginnt im Schlosspark. Dieser wurde 1873 als englischer Landschaftspark angelegt. Was ist eigentlich ein englischer Landschaftsgarten? Ein englischer Landschaftsgarten wird in der Literatur oft als begehbares Landschaftsbild bezeichnet. In ihm herrschen keine klaren Linien und formale Schnitte, sondern er ist in seiner Form den natürlichen Gegebenheiten angepasst. Schon im 18. Jahrhundert hatte unter anderem Goethe die Idee der englischen Landschaftsparks in Deutschland verbreitet. Was wenige Menschen wissen, Goethe war nicht nur ein Dichter, er hat sich auch intensiv mit Gartenkunst befasst. Goethe sprach in diesem Zusammenhang von Seelenbildern: Natur auf kleinsten Raum.
Die Lindenkathedrale und die Zahlensymbolik
Am Anfang einer wunderschönen Lindenallee bleiben wir stehen. „Die Lindenallee besteht aus 111 Linden, 110 Winter- und 1 Sommerlinde.“, erzählt uns Severin Hoensbroech. Allgemeine Ratlosigkeit. Was will er uns damit sagen? Und hier beginnt für mich die Führung durch den Park richtig spannend zu werden. Denn die Lindenallee bildet zusammen mit einem Labyrinth und einem Baptisterium – natürlich alles aus Bäumen und Sträuchern – die sogenannte Lindenkathedrale.
Aber warum genau 111 Linden? „Die Quersumme von 111 ist 1+1+1, also 3“, erklärt uns der Schlossherr. Die Zahl drei steht in der christlichen Zahlensymbolik für das Göttliche. Für die Dreifaltigkeit aus Gott dem Vater, Jesus Christus dem Sohn und dem Heiligen Geist. Und warum 110 Winter- und eine Sommerlinde? Das erklärt uns Herr Hoensbroech so: 11 + 1 = 12 Jünger Jesu: 11 Jünger und Judas.
Ein paar Schritte weiter liegt ein Labyrinth aus 750 kleinen Stechpalmen. Es soll den Eingang der Kathedrale symbolisieren. Natürlich verwechsele ich erst einmal ein Labyrinth mit einem Irrgarten. Im Labyrinth gibt es keine Irrwege und Sackgassen, lerne ich. Das Labyrinth von Schloss Türnich hat sieben Umgänge. Auch hierfür gibt es wieder eine Erklärung: 3 + 4 = 7. Die Zahl 3 – haben wir schon gelernt – steht für das Göttliche und die Zahl 4 für das Irdische, die 4 Elemente Luft, Wasser, Feuer und Erde.
Wir gehen weiter und biegen nach kurzer Zeit nach links ab. Hier befindet sich das „Baptisterium“, also der Taufbereich der Kathedrale. Auch hier wurden vom Gartenarchitekten wieder Zahlen der christlichen Zahlensymbolik einbezogen. Der Taufbereich ist ein Oktagon, also ein Achteck … aus 7 Linden – eine wurde als Öffnung weggelassen. Die Zahl 8 steht hier für die Wiedergeburt.
Nach diesem spannenden Ausflug in die Welt der Zahlensymbolik gehen wir weiter durch den wunderschönen Landschaftsgarten. Ich bin ganz begeistert, wie geschickt dieser angelegt ist. Obwohl man ab und an ein paar Stimmen hört, hat man trotzdem das Gefühl, den Park ganz für sich alleine zu haben.
Der französische Garten
Zum Abschluss unserer Runde über das Gelände von Schloss Türnich zeigt uns der Schlossherr den französischen Garten. Der englische Landschaftsgarten und der barocke französische Garten können unterschiedlicher nicht sein. Während im Landschaftsgarten das Natürliche im Vordergrund steht, treffe ich im französischen Garten auf strenge Linien und formale Schnitte. Hohe in Form geschnittene Buchsbaumhecken – einige davon bis zu 250 Jahre alt – umgeben einzelne kleine Gartenbereiche. Hier blühen Stauden, gerade Wege führen von einem Bereich zum nächsten. Leider bleibt nicht mehr allzu viel Zeit um sich diesen kleinen Garten weiter anzuschauen. Die Zeit ist wie im Fluge vergegangen.
Das Café
Was wäre für mich ein schöner Spaziergang durch einen Garten, ohne nachher die Eindrücke bei einem leckeren Stück Kuchen und einer guten Tasse Kaffee einwirken zu lassen. Im Café Schloss Türnich kann man leckeren Kuchen und andere Kleinigkeiten essen. Alles ist biologisch und größtenteils aus regionalen Produkten hergestellt. Das dürft ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen.
Das könnte Euch auch interessieren
- Die Homepage von Schloss Türnich
- Über die Geschichte des Schlosses könnt ihr bei Wikipedia einiges erfahren
- Wenn ihr mehr über englische Landschaftsgärten lesen möchtet.
- Im Rhein-Erft-Kreis gibt es noch so viel mehr zu erkunden. Wenn ihr mehr über Schlösser und Burgen vor den Toren der Stadt Köln erfahren möchtet, schaut unbedingt auf der Internetpräsenz des Rhein-Erft Tourismus e.V. vorbei.
- Und neben den Schlössern gibt es im Rhein-Erft-Kreis noch sehr viel mehr zu besuchen und zu unternehmen. Neugierig? Dann schaut doch selbst. Hier gibt es ganz viele Tipps und Anregungen.
Hier habe ich gegessen
Das Café Schloss Türnich ist im Sommer an diesen Tagen geöffnet:
Mittwoch bis Samstag: 11-18 Uhr
Sonn- und Feiertags: 10.30-18 Uhr
Adresse
Schloss Türnich liegt in Kerpen-Türnich, vor den Toren Kölns.
Schloss Türnich
Schloss Türnich 1
50169 Kerpen
Öffnungszeiten
Der Landschaftsgarten kann täglich eintrittsfrei genossen werden. Lohnenswert ist aber eine Führung, auf der man in die Geheimnisse der Lindenkathedrale eingeführt wird.
Das Schloss selbst wird derzeit restauriert und kann normalerweise nicht öffentlich besichtigt werden. Dennoch werden Führungen angeboten. Schaut dazu einfach auf die Homepage des Schlosses. Hier stehen die Termine für die Führungen und auch andere Veranstaltungen.
Anmerkung: Im März 2017 wollte ich die Preise Öffnungszeiten anpassen. Leider scheint die Führung 2017 nicht mehr angeboten zu werden. Das scheint sich auch 2019 nicht geändert zu haben.
Offenlegung:
Zu diesem Wochenende wurde ich von Rhein-Erft Tourismus e.V. eingeladen. Herzlichen Dank dafür. Meine Meinung bleibt die eigene.
4 Comments
Vielweib
Schade, dass das Schoss nicht besichtigt werden kann. Die Gärten hören sich toll an. Schon auf Twitter Deinen Ausflug verfolgt, welches ich bisher so gar nicht auf den Schirm hatte. Reizt zum Nachahmen :-) Inkl. Café versteht sich :-)
Heike
Mein Eindruck war, die Familie arbeitet sehr daran, das das Schloss bald wieder besichtigt werden kann. Also: kommt Zeit, kommt Besichtigung. Und derweil kann man sich mit dem göttlichen Apfelkuchen in wunderschöner Atmosphäre „trösten“. :-)
Britta
Schloss Türnich ist ein kleiner Traum in meiner Heimat.
Wir haben die Kapelle direkt am Schloss gelegen letztes Jahr zum Erntedankfest besichtigt.
Severin von Hoensbroich als Schauspieler und Regisseur versteht es wunderbar, die Menschen mit seinen Worten in seinen Bann zu ziehen.
Was er in meiner Heimat wieder aufleben lässt, ist grandios und nachahmenswert!
Liebe Grüße,
Britta
Heike
Ja, kann ich nur bestätigen. Er hat uns ganz toll durch den Park geführt und sehr spannend und mitreißend erklärt.