Wandern im Yosemite Nationalpark
„Was hälst Du davon, wenn wir zu unserem runden Geburtstag anstelle einer Feier eine ganz tolle Reise machen?“, frage ich meinen Mann Mitte des Jahres 2016. „Gute Idee. Was schwebt dir denn vor?“, lautet die Antwort. Da wir beide die Vereinigten Staaten sehr lieben, steht das Reiseziel schnell fest. Wir machen eine Rundreise zu den schönsten Nationalparks im Westen der USA. Ganz oben auf der Liste steht der Yosemite Nationalpark. Was ich erst später realisiere: wenn man im Yosemite Nationalpark ist, geht man wandern. Wer mich kennt weiß, das ich nicht unbedingt der größte Wanderer unter der Sonne bin. Aber nachdem ich einiges im Internet gelesen habe, freue ich mich sehr auf ein paar kleinere Wanderungen in traumhafter Kulisse.
Im Yosemite Nationalpark gibt es mehrere ganz großartige Wasserfälle. Einer der schönsten Wanderwege führt an zweien davon bis zur Fallkannte des oberen Wasserfalls: der Mist Trail. „Mist“ ist in diesem Fall natürlich das englische Wort für Nebel, nicht das, was im Kuhstall produziert wird. Der Wanderweg hat seinen Namen daher, das man direkt neben den Fällen in der Gischt auf unter anderem 600 glitschigen Stufen bis oberhalb der Fälle steigt. Dabei sind 600 Höhenmeter zu überwinden.
Mein innerer Schweinehund
Und genau das bereitet mir während unserer Rundreise durch die Nationalparks 2017 arges Kopfzerbrechen. 600 Höhenmeter! Viele von euch werden jetzt den Kopf schütteln und denken: „Oh, Mann“. Aber ich bin leider ein ängstlicher Mensch, der sich selbst körperlich nicht viel zutraut. In meinem Kopf geben sich schon Tage vorher Engelchen und Teufelchen übelste Wortgefechte. Soll ich es versuchen oder lieber direkt sein lassen. Das Teufelchen gewinnt. Also erkläre ich Stefan zähneknirschend, das er die Wanderung alleine machen muss. Ich komme bis zum Fuß unteren Wasserfalls mit und drehe dann wieder um, erkläre ich ihm.
Der Tag der Wanderung
Am Tag der Wanderung bin ich ziemlich aufgeregt. Kämpfe ich doch immer noch gegen meinen inneren Schweinehund. Um 7 Uhr sitzen wir im Restaurant und frühstücken.
Und immer noch geht es in meinem Kopf hin und her. Soll ich mitgehen? Soll ich nicht? Wir packen den Rucksack, schnüren die Wanderstiefel, packen die Regenjacken ein und sitzen kurze Zeit später im Shuttlebus, der uns in die Nähe des Trailheads, also dem Startpunkt des Wanderweges, bringt. Da es noch so früh ist, sind wir beinah alleine hier. Das Wasser des Merced River glitzert in der Morgensonne, die Luft ist klar und rein und außer dem Zwitschern der Vögel ist nichts zu hören.
Bis zur Fallkannte des Vernal Falls
Über die Happy Isles Bridge gehen wir zum Trailhead.
Bis zum Fuß des Vernal Falls sind 120 Höhenmeter zu überwinden. Wir gehen langsam und kontinuierlich. „Immer kleine Schritte machen. Wie ein Auto im kleinen Gang.“, sagt mir Stefan immer wieder. Und das hilft. Mit zwei bis drei kurzen Pausen zum Luftholen kommen wir am Fuß des Vernal Falls an.
Stefan schaut mich erneut fragend an, aber ich schüttele den Kopf. Während ich ihn losgehen sehe, reift in mir eine Idee. Das Engelchen hat nämlich mittlerweile Oberwasser bekommen. Stefan ist der geübterer Wanderer und er hat sehr viel mehr Kondition als ich. Natürlich würde er neben mir her „kriechen“ und immer wieder Pause machen. Aber ich möchte ihm den Spaß nicht verderben. Also lasse ich ihn zügigen Schrittes losziehen – um dann meinerseits ganz in Ruhe und in meinem eigenen Tempo den Anstieg zur Fallkannte des Vernal Falls zu beginnen.
Sehr langsam steige ich die 600 wirklich glitschigen und nassen Stufen nach oben. Ich werde ständig von Leuten in Flip-Flops überholt. Aber das ist mir egal.
Irgendwann bin ich oben auf dem kleinen Plateau. Ich sehe Stefan dort sitzen und die Aussicht genießen. „Der wird Augen machen“, freue ich mich, ihn zu überraschen. Über den erstaunten und auch anerkennenden Blick, als er mich entdeckt, freue ich mich noch heute. Mein Kopf ist knallrot, ich bin außer Atem. Aber ich bin so unglaublich stolz, das ich mich doch noch getraut habe und den inneren Schweinehund überwunden habe.
Die Aussicht ist großartig. Man kann bis an die Fallkante des Wasserfalls gehen. Wir verbringen hier noch etwas Zeit und genießen das schöne Wetter, die tolle Aussicht und ich feiere innerlich meinen Erfolg.
Zum Kopf des Nevada Falls
Bis zum Kopf des Vernal Falls habe ich 300 Höhenmeter bewältigt. Weitere 300 bis zur Oberhalb des Nevada Falls schaffe ich konditionell nicht mehr. Da bin ich mir sicher. Hierfür brauche ich Engelchen und Teufelchen gar nicht mehr zu bemühen. Also geht Stefan alleine weiter. Hier ein paar Fotos, die Stefan unterwegs gemacht hat.
Ich werde langsam wieder nach unten steigen. Der National Park Service empfiehlt, den Mist Trail nach oben zu wandern und für den Abstieg den John Muir Trail zu wählen. Der Weg ist etwas länger, dafür aber nicht ganz so steil.
Und man muss nicht ständig gegen den Menschenstrom klettern. Mein „ganz in Ruhe“ nach unten steigen wird allerdings auf halbem Wege jäh gestört. Zwei Park Rangerinnen kommen mir entgegen und erklären, das etwas weiter unten ein Bär am Wegesrand unterwegs ist. „Aber keine Angst, der tut nichts“. Das sagen die allen Ernstes. Ein paar Amerikaner, die neben mir stehen gehen erfreut weiter. Aber mir als ängstliche Europäerin wird ein wenig mulmig.
Der Bär und ich
Ich bin dann recht zügig abwärts marschiert und habe nicht einmal nach links oder rechts geschaut. Ich alleine im Nirgendwo und dann ein Bär? Den will ich lieber gar nicht erst sehen. Und schon wieder sehe ich einige von euch ungläubig den Kopf schütteln. Aber so bin ich nunmal. Und das tut mir auch im Nachhinein nicht leid. Ganz ehrlich. Dafür hab ich zu anderen Gelegenheiten in diesem Urlaub noch Elche und Bären gesehen.
Stefan hat den Bären dann übrigens beim Abstieg noch gesehen. Da war er aber schon ein wenig weiter weg vom Wanderweg. Aber vielleicht war er das bei mir ja auch schon, ich hab ja nicht hingeschaut. Am Ende bin ich mächtig stolz auf mich, das ich erstens meinen Schweinehund überwunden habe, und zweitens den glitschigen weg über 600 Stufen bewältigt habe. Darauf gönnen wir uns an Abend erstmal eine dicke amerikanische Pizza und ein Bier.
Gut zu wissen
- Wie in jedem amerikanischen Nationalpark muss man Eintritt bezahlen. Wenn Ihr in einem Jahr mehrere Nationalparks besuchen möchtet, solltet ihr prüfen, ob der America the beautiful Pass für euch in Frage kommt. Er kostet $80. Wir haben ihn beim Einfahren in den ersten Nationalpark unserer Reise beim Park Ranger gekauft. Er kann ebenso online bestellt werden oder im Visitor Center des NP erworben werden
- Die Wasserfälle sind das Ergebnis der Schneeschmelze im Frühling. Wenn die die Wasserfälle in ihrer vollen Pracht sehen möchtet, dann sollt ihr im Frühsommer fahren. Wir waren Anfang Juni im Yosemite Nationalpark
- Stellt euch darauf ein, nicht allzu viel Komfort zu haben. Die Hütten sind recht einfach. Handy Empfang ist gleich null und Internet gibt es nur sehr begrenzt.
Hier habe ich übernachtet schnipp
Wir haben im Half Dome Village direkt im Yosemite übernachtet. Das war super. Es war Anfang Juni war es noch nicht so voll im Park. Es gibt in diesem Park
- Campingplätze
- einfache Hütten
- bessere Hütten
- richtige Holzhütten
Hier habe ich gegessen
Im Half Dome Village gibt es einen kleinen Supermarkt, wo man Snacks und Getränke – eigentlich beinah alles, was man zum wandern und campen braucht – kaufen kann. Außerdem gibt es einen Burgerstand, eine Pizzeria und eine große Kantine. Die Preise sind sogar erschwinglich.
Eintrittspreise
Ein 7 Tage Pass nur für den Yosemite kostet für’s Auto $30. In dem Preis sind alle Personen enthalten.
Es gibt auch den America the Beautiful Jahrespass. Er gilt für alle Nationalparks, kostst $80 und ist ein Jahr gültig. Wenn ihr in einem Urlaub (oder Jahr) mehrere Nationalparks besucht, dann lohnt er sich. Und tut mir bitte einen Gefallen: Dieser Pass wird leider immer wieder bei eBay oder ähnlichen Plattformen angeboten. Lasst es bitte bleiben. Spart nicht bei einem ohnehin schon teure Urlaub die paar Dollar. Die Nationalparks sind einzigartig und ihren Preis wert. Man kann den Pass vorher im Internet bestellen, aber auch am Eingang zum Park erwerben.
6 Comments
vielweib
Phantastische Bilder. Und: Ganz großen Respekt!!!
Heike
Danke Dir :-)
Chris - Ding01
Tolle und lebendige Schilderung! Mir wäre das beim inneren Kampf wohl ähnlich wie Dir ergangen, wenn ich körperlich noch dazu in der Lage wäre – Du kannst stolz auf Dich sein!
Außerdem hast Du eine Erinnerung mitgenommen, die Dir niemand „klauen“ kann!
Viele Grüße,
Chris
Heike
Vielen Dank für die lieben und netten Worte, lieber Chris.
Erwin Brandl
Super Eindrücke . Wir wollen in ca 2 Jahren u.a. auf unserer USA-Tour in den Yosemite NP fahren. Wieviel Monate vorher habt Ihr im Half Dome Village gebucht. Wir möchten eine der einfachen Cabins buchen. Welche Wssserfälle bzw. Aussichtspunkte soll man sich ansehen. Danke vorab für Infos.
Heike
Hallo Erwin,
vielen Dank.
Wir haben tatsächlich ein Jahr vorher gebucht. Und da waren die normalen Cabins bereits ausgebucht. Also so früh wie möglich buchen.
Welche Wasserfälle und Aussichtspunkte? Einfache Antwort: alle. Nehmt so viel wie möglich mit. Es ist herrlich dort. Ich wünsche jetzt schon viel Spaß.
Viele Grüße, Heike