Kitsch, Kirche, Kontraste – mit dem Wohnmobil entlang der polnischen Ostseeküste
Wer die Ostseeküste Polens besuchen will, beginnt am besten auf der geteilten Insel Usedom. So haben wir es jedenfalls gemacht, als wir Ende August unsere Polen-Reise mit dem Miet-Wohnmobil antraten. Wie wir die Zeit auf Usedom verbracht haben, davon habe ich ja bereits berichtet.
Der größte Teil der Insel gehört zu Deutschland. Auf dem kleineren, östlichen Teil liegt die Hafenstadt Swinemünde/Świnoujście – die wiederum von der Swine, einem Meeresarm der Ostsee, getrennt wird und damit teils auf der Insel Usedom und teils auf der Insel Wolin liegt.
Nach zwei Übernachtungen auf Usedom wollen wir nun endlich nach Polen einreisen und unsere Tour entlang der polnischen Ostseeküste beginnen. Swinemünde (bitte verzeiht mir, wenn ich der Einfachheit halber in der Regel die deutschen Namen verwende!) wollten wir uns eigentlich nur kurz auf der Durchreise anschauen. Keine gute Idee – an einem Samstagvormittag mit einem 3,5 Tonnen schweren Wohnmobil! Die Stadt ist voll, und es ist gar nicht daran zu denken, einen Parkplatz für unser XL-Gefährt zu kriegen. Zumal wir dann auch feststellen müssen, dass wir mit einem Fahrzeug dieser Größe nicht die Stadtfähre nehmen können (bis maximal 3 Tonnen).
Ja, ich gebe zu, wir haben uns für unsere gut zweiwöchige Polenreise ein stattliches Wohnmobil gemietet. Schließlich wollten wir es komfortabel haben: genug Platz, um alles zu verstauen und damit man sich nicht ewig auf die Füße tritt. Dazu möglichst ein fest installiertes Bett, das nicht jeden Abend erst umgebaut werden muss. Und im Alkoven schlafen wollten wir auch nicht. Man wird ja nicht jünger….. Das haben wir im Großen und Ganzen nicht bereut. Es bedeutete aber offensichtlich Einschränkungen an anderer Stelle.
Wir verzichten schließlich auf einen Besuch der quirligen kleinen Hafenstadt und machen uns auf die Suche nach der anderen Fähre, die auf die Insel Karsibór übersetzt. Dort erwartet uns schon einen Kilometer vor der eigentlichen Fähre eine lange Fahrzeugschlange. Die Alternative wäre der Landweg rund ums Stettiner Haff gewesen – ein Umweg von ungefähr 200 Kilometern.
Wir reihen uns also geduldig ein und wundern uns lediglich, dass manchmal ein Bus auf der linken Spur vorbeizieht. Es stellt sich dann heraus, dass es zwei Fähren gibt – eine für PKW und eine für LKW. Wir werden auf die LKW-Fähre verfrachtet und vermuten im Nachhinein, wir hätten ebenfalls an der Schlange vorbeifahren können. Aber weiß man’s? Man will sich ja in einem fremden Land nicht unbeliebt machen.
Die für uns doch sehr fremde Sprache macht uns gleich an diesem ersten Tag zu schaffen. Irgendwie haben wir in unserer deutschen Arroganz wohl gemeint, die Polen müssen doch alle Deutsch oder zumindest Englisch sprechen. Wir fragen in Swinemünde an einer Tankstelle nach der viabox, denn soweit wir verstanden haben, müssen wir mit unserem Gefährt, das knapp über 3,5 Tonnen wiegt, auf bestimmten Autobahnen Maut bezahlen. Aber wir haben keine Chance, uns mit der Tankstellenmitarbeiterin zu verständigen. Und dass das polnische Wort für Fähre „Prom“ lautet und diese auch so ausgeschildert ist, darauf muss man erstmal kommen.
Kolberg (Kołobrzeg)
Unser Ziel an diesem Tag lautet Kolberg. Da wir schon viel Zeit verloren haben, machen wir nur einen kurzen Stopp im Wolin Nationalpark und spazieren zum Aussichtspunkt Gosan. Die Steilküste ist dort beeindruckend hoch. Wir haben uns übrigens für die kürzeste, aber nicht unbedingt schnellste Route entlang der Küste entschieden. Dabei passieren wir einige beliebte und belebte Badeorte: Die Polen lieben es schrill, bunt und laut. Eine Kinderbelustigung jagt die nächste und laute Musik dröhnt aus den Lautsprechern. Die Ferien in Polen dauern noch bis Ende August. In einem anderen Ort sehen wir Wildschweine am Straßenrand grasen. Wir sind gerade froh, im sicheren Auto zu sitzen. Die Straßen sind teilweise in schlechtem Zustand, und es gibt zahlreiche Baustellen – das Land ist im Umbruch und Aufbau. Doch wir passieren ebenso wunderschöne Alleen mit dichten grünen Bäumen rechts und links des Weges.
Direkt in Kolberg gibt es nur einen Campingplatz. Er liegt auf den ersten Blick wenig attraktiv: nahe an der Bahnstrecke und mit Blick auf eine Plattenbausiedlung. Der Platz selbst ist aber eigentlich ganz schön. Der Bahnlärm ist am Ende nicht allzu störend, und der Plattenbausiedlung kann ich auch den Rücken zukehren. Dafür beginnt direkt hinter dem Campingplatz das Stadtwäldchen, an dem entlang wir uns am nächsten Tag auf den Weg Richtung Strand machen. Auch hier wird es zunächst wieder bunt und laut: Karussells, Hüpfburgen und Spielautomaten gehören zum Strandleben dazu. Parallel zum Strand verläuft der Kurpark. Die Allee, die von knorrigen Bäumen gesäumt ist, führt uns direkt zum Leuchtturm (polnisch: latarnia morska). Den zu erklimmen, kann ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Der Aufstieg ist nicht ganz ungefährlich: teilweise ohne Geländer, recht niedrig, so dass man sich den Kopf stoßen kann, und mit einigen bösen Stolperfallen. Aber es lohnt sich mal wieder!
Durch eine sehr gepflegte Grünanlage spazieren wir weiter in die Altstadt. Schnell werden wir mit dem katholischen Polen konfrontiert (87% der Polen sind katholisch, in Deutschland sind es nur 28%): Die Marienbasilika aus dem 14. Jahrhundert (auch Kolberger Dom genannt) darf nur außerhalb der Gottesdienstzeiten besucht. So weit, so gut – aber an diesem Sonntag finden insgesamt neun Gottesdienste statt! Wir haben Glück und kommen genau zur explizit ausgeschriebenen gottesdienstfreien Zeit zwischen 14 und 15.30 Uhr. Dennoch sagt ein Aufsteller (auch auf deutsch!): „Nur zum Beten, nicht für Besucher“. Da ich jedoch ohnehin bei Kirchenbesuchen regelmäßig je eine Kerze für meine verstorbenen Eltern anzünde und dafür gerne einen kleinen Obolus entrichte, trete ich guten Gewissens ein. Und schließlich war ich ja mal katholisch.
Jetzt haben wir zwar wahrscheinlich Gottes Segen, aber ziemlich weltlichen Hunger. Das neogotische Rathaus, ein stattlicher Backsteinbau, liegt direkt an einem Platz, der von Gaststätten gesäumt ist. An diesem sonnigen Tag haben viele von ihnen ihre Außenbereiche geöffnet. Allerdings sind diese immer durch Stellwände abgeschirmt, denn in Polen herrscht ein Verbot von Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit. Wir entscheiden uns spontan für eines der Lokale und arbeiten uns mit vereinten Kräften durch die Speisekarte: die Bedienung spricht kein Deutsch, aber ein wenig Englisch, und die englischen und deutschen Übersetzungen auf der Karte sind haarsträubend (ich ärgere mich immer noch, dass ich kein Foto gemacht habe!). So werden aus harmlosen Waldpilzen auf Englisch „Forest Mushrooms“ und auf Deutsch „Forst-Schimmelpilze“ – da lassen wir doch lieber die Finger von ;-) Ich habe leider eine Schwäche für kohlenhydratreiche Kost und muss unbedingt die Piroggi probieren. Die polnische Küche ist ja sowieso nicht unbedingt dafür bekannt, sich gut für Diäten zu eignen: die Nudeltaschen schwimmen ordentlich in Butter. Aber wer will schon im Urlaub Diät machen? Auf Nachfrage empfiehlt uns die freundliche junge Dame einen lokalen Schnaps, der fortan unser Lieblingsgetränk auf dieser Reise wird (zum Danziger Goldwasser kommen wir später).
Auf dem Rückweg zum Campingplatz passieren wir noch den mittelalterlichen Luntenturm (Pulverturm).
Stolpmünde (polnisch: Ustka)
Am nächsten Tag geht es weiter nach Stolpmünde (polnisch: Ustka), wo wir auch wieder zwei Nächte bleiben möchten. Dieses Mal haben wir allerdings einen etwas längeren Zwischenstopp in Rügenwalde (Darłowo) eingeplant. In der Nähe des Schlosses finden wir einen wohnmobiltauglichen kostenlosen Parkplatz – den Tipp hatten wir aus dem Reiseführer. Der Eintrittspreis für das Schloss ist danach gestaffelt, wie viele und welche Teile des Gebäudekomplexes Du Dir anschauen möchtest, das finde ich ziemlich kompliziert. Wir beschließen, uns lediglich die Hauptausstellung und den Turm anzusehen. Schließlich haben wir nicht unbegrenzt Zeit und möchten uns auch noch den Rest des Städtchens anschauen. Das Schloss ist ganz nett, aber nicht spektakulär. Am interessantesten finde ich den Kerker, den man nur in gebückter Haltung erreichen kann.
Die Marienkirche und das Rathaus schauen wir uns lediglich von außen an. Einige der Häuser, die den Marktplatz säumen, sind grau und in einem schlechten Zustand, andere in allen möglichen Pastelltönen angemalt. Das Ganze versprüht einen gewissen DDR-Charme – Kindheitserinnerungen werden wach. Als Kind und Jugendliche war ich jeden Sommer bei meinen Verwandten in der DDR.
In einer Filiale einer bekannten deutschen Discounterkette stocken wir noch unsere Lebensmittelvorräte auf. Die deutschen und französischen Discounter-, Supermarkt-, und Drogeriemarktketten sind hier an den Stadträndern allgegenwärtig. Das extrem einfache Landleben auf den Dörfern, die von Armut zeugen, steht hierzu in einem krassen Gegensatz, wie man ihn von Deutschland her nicht kennt. Und in keinem noch so kleinen Dorf fehlt ein religiöses Symbol: ein Kreuz, eine Marienstatue, immer mit bunten Plastikblumen geschmückt und elektrisch beleuchtet.
Der Campingplatz in Ustka ist nicht ganz einfach zu finden. Zumal er in einer Gegend liegt, wo man ihn nicht vermutet, quasi mitten in einem Wohngebiet am Stadtrand. Er ist auch nicht besonders hübsch, aber für unsere Bedürfnisse völlig ausreichend.
Am nächsten Morgen frage ich nach, wo ich Brötchen fürs Frühstück kaufen kann, und bekomme eine Wegbeschreibung zum „Sklep“, das heißt soviel wie Laden oder Geschäft. Der kurze Fußweg dorthin ist kontrastreich: Links der Straße erstreckt sich ein modernes Neubaugebiet, ähnlich wie unser Hanseviertel hier in Lüneburg, nur, dass der Baustil der meisten Häuser etwas verschnörkelter ist. Auf der rechten Seite tiefgraue DDR. In diesem Teil befindet sich der Laden, der winzig, aber gut sortiert ist. Mit Deutsch oder Englisch versuche ich es hier erst gar nicht – ich zeige mit den Fingern, was ich haben möchte. Wie so ein Laden existieren kann, ist mir völlig schleierhaft. Aber wir werden später feststellen, dass es sie in jedem noch so kleinen Dorf gibt. Vielleicht hilft Vater Staat ja hier nach?
Für heute haben wir uns eine Fahrradtour vorgenommen entlang der Trasy Rowerowe – der „Route der verschwundenen Gleise“. Zunächst schauen wir uns aber die kleine Hafenstadt Ustka an. Die Saison geht ja nun langsam zu Ende, aber dass es hier in der Hauptsaison überlaufen sein soll, kann ich mir gut vorstellen. Auch heute fahren hier wieder die auf Piratenboot getrimmten Touristenschiffe von der gepflegten Strandpromenade ab. Das brauche ich nun nicht gerade – dafür geht’s mal wieder auf einen Leuchtturm.
Der Radweg führt uns nun etwas weiter ins Landesinnere. Der Weg, der größtenteils aus Betonplatten aus besteht, ist nicht toll, aber soweit befahrbar. Wäre er besser, witzeln wir, wäre er eine Straße. In Wytowna gibt es eine wirklich außergewöhnliche kleine Fachwerkkirche zu bestaunen. In Machowinko beschließen wir, dass uns die gesamte Strecke bis nach Rowy doch zu weit ist. Also machen wir uns wieder auf den Weg Richtung Küste und kommen in den kleinen Badeort Poddabie, wo wir uns mit Eis und Cappuccino stärken. Der Rückweg durch den Wald verläuft entlang der Küste, die man zwar nicht sehen kann, aber wir bilden uns ein, ab und zu das Rauschen des Meeres zu hören. Hier ist der Weg nicht immer so gut, teilweise etwas sandig. Die Landschaft erinnert stark an die Lüneburger Heide, wo das Heidekraut jetzt wohl auch blühen müsste – und wir sind wieder mal nicht da. Unsere Ohren haben uns nicht getäuscht und wir landen schließlich wieder am Strand von Ustka.
Den Abend beschließen wir in einer Pizzeria in Ustka. Hier ist man nicht so wirklich auf deutsche Touristen eingestellt. Wir verständigen uns teils auf Englisch und teils mithilfe des Übersetzungsprogramms, das die freundliche junge Bedienung auf ihrem Smartphone hat. Dass wir am Ende einen süßen Rotwein bekommen, dafür kann weder sie noch die polnische Sprache etwas. Den hat Matthias selbst in der Vitrine ausgesucht, und es steht „dolce“ drauf, und das, wo mein Mann italienisch spricht……
Am nächsten Tag reisen wir weiter nach Danzig, aber davon werde ich Euch ein anderes Mal erzählen. Das mit der Maut konnten wir übrigens bis heute nicht klären. Wir haben es dann einfach irgendwann darauf ankommen lassen und bis heute keine Mahnung erhalten.
Hier habe ich übernachtet schnipp
Camping Baltic
ul. 4 Dywizji Wojska Polskiego 1 78-100 Kołobrzeg
Tel. +48 606 411 954
(“ul.” steht für “ulica” und heißt: Straße)
Camping Morski
ul. Armii Krajowej 4
76-270 Ustka
Tel. +48 59 8144426
Auf beiden Campingplätzen wird deutsch gesprochen.
Hier habe ich gegessen
Kolberg
An den Straßen rund um den Platz am Rathaus befinden sich zahlreiche Restaurants. Im Sommer stellen viele von ihnen ihre Tische und Stühle direkt auf dem Platz, von Stellwänden abgetrennt.
Ustka
Pizzeria Ustika
Marynarki Polskiej 54
76-200 Ustka
Tel. +48 606 111 525
Diesen Reiseführer habe ich gelesen
Rainer D. Kröll – Polen mit dem Wohnmobil
Die dort beschriebenen Touren waren sehr hilfreich bei der Planung. Allerdings haben wir nur Teile der Routen Nr. 1, 2 und 5 gemacht, und das Ganze in umgekehrter Richtung. Das hat die Lektüre des Reiseführers etwas erschwert.
[icon name=“car“] Hier haben wir unser Wohnmobil gemietet
Freizeit-Center Albrecht
Porschestraße 15
21423 Winsen (Luhe)
Tel. 04171 60 16 50
2 Comments
Martina
Liebe Ruth
Vielen Dank für Deinen Reisebericht. Wir sind mitten in der Planung unserer nächsten Urlaubsreise mit dem Wohnmobil an der polnischen Ostseeküste entlang. Die meisten Orte, die Du beschrieben hast, haben wir (Mann, Hund und ich) auch schon besucht. Deine Beschreibungen haben mich kurz wieder dorthin geführt. Darlowo war mir noch nicht bekannt, hat mich aber neugierig gemacht.
Es gibt so viele schöne Orte in diesem gastfreundlichen Land.
Vielen Dank für das Teilen Deiner Erlebnisse.
Liebe Grüße
Martina
Ruth Heume
Liebe Matina,
Es freut mich mehr, dass mein Bericht dir gefallen hat!
Das ist schon so lange her – mittlerweile haben wir auch zwei Hunde.
Über unsere Reise mit dem WoMo nach Norwegen habe ich bei https://hunde-reisen-mehr.com/ geschrieben.
Letztes Jahr waren wir im Herbst in Italien und hatten so schlechtes Wetter, dass ich nicht darüber schreiben mochte.
Euch eine gute Reise!
Liebe Grüße
Ruth