St. Petersburg – auch ohne Eremitage ein Besuch wert?
Ein Kurzurlaub in St. Petersburg stand schon sehr lange auf meiner Wunschliste. Ich hatte schon so viel über die wunderbare Metropole an der Ostsee gelesen, im Fernsehen Berichte darüber bestaunt und auch meinen russischen Kollegen mit Fragen gelöchert, der tatsächlich aus St. Petersburg stammt. Aber irgendwie habe ich mich nie getraut, eine Reise zu buchen.
Wovor hatte ich Angst? Nun, ganz allgemein habe ich vor dem riesigen Land Russland großen Respekt. Keine Ahnung, warum. Außerdem stimmten mich die Einreiseformalitäten (die sich übrigens mittlerweile geändert haben) nicht wirklich zuversichtlich. Man brauchte ein Visum. Das bekam man aber nur, wenn man eine persönliche Einladung hat. So einfach, wie an ein Touristenvisum für die USA kommt man an ein Touristenvisum für Russland nicht. Es gibt nicht einfach eine Website, wo man sich für das Visum anmeldet. Kurz gesagt: es gab in meinem Kopf zu viele Hürden, zu viele „Zus“, wie ein Bekannter einmal so treffend sagte.
Das kostenlose E-Visum
Um es vorweg zu nehmen: seit dem 1. Oktober 2019 kann man für St. Petersburg ein kostenloses E-Visum beantragen. Es ist 8 Tage gültig und muss bis zu 4 Kalendertage vor der Einreise beantragt werden. Für unsere Reise gab es das noch nicht.
Umso erfreuter bin ich, als uns liebe Freunde fragen, ob wir Lust auf eine Kreuzfahrt auf der Ostsee haben. Haben wir! Mein Traum, einmal St. Petersburg zu sehen, nimmt Formen an. Ein paar Wochen später ist die Kreuzfahrt gebucht. Ich kann mich auf 2 volle Tage in der wunderschönen Metropole an der Ostsee freuen.
Im August 2019 ist es dann endlich so weit. Wir stechen in Warnemünde in See. Nach Stopps in Kopenhagen, Stockholm und Helsinki kommen wir am 17. August in St. Petersburg an. Wir haben für zwei Tage eine private Tour gebucht. Zusammen mit zwei weiteren Paaren vom Schiff, die wir jetzt kennenlernen, werden wir die Stadt erkunden.
Das werden wir in den kommenden zwei Tagen sehen und erleben
- Das kostenlose E-Visum
- Begrüßung in der Wartehalle
- Peterhof – des Zaren Sommerfrische
- Das Schloss
- Der Park von Schloss Peterhof
- Die Große Kaskade
- Wir genießen ein russisches Mittagsessen
- Katharinenpalast – Glamour und Bernsteinzimmer
- Auf dem Newski-Prospekt
- Die Blutkirche
- Eine Bootsfahrt auf der Newa
- Der älteste Teil der Stadt: die Peter und Paul Festung
- Einmal U-Bahn fahren: ein Muss!
- Kurzbesuch der Nikolaus-Marine-Kathedrale
- Der krönende Abschluss: die Isaak Kathedrale
Begrüßung in der Wartehalle
Die Zollformalitäten sind schnell erledigt und schon stehen wir im Kreuzfahrterminal zwischen Matroschka Puppen, falschen Fabergé-Eiern und „Bärenfell“-mützen und warten auf unseren Tourguide.
Kurz vor zehn steht eine zierliche junge Frau vor uns und stellt sich als Anna vor. Sie führt uns zu einem Kleinbus, wo wir von Aleksei, unserem Fahrer für die nächsten zwei Tage, begrüßt werden. Mit seinem verschmitzten Lächeln wird uns Aleksei die nächsten Tage durch den teilweise sehr dichten Verkehr von St. Petersburg fahren. Und Anna wird uns Spannendes und Interessantes über ihre Heimat erzählen. Ich freue mich.
Peterhof – des Zaren Sommerfrische
Über eine leere Vorstadtautobahn geht es zu unserem ersten Ziel, Schloss Peterhof in der gleichnamigen Stadt. Peterhof liegt 35 km vor St. Petersburg direkt an der Ostsee. Während rechts und links die Plattenbauten an uns vorbeiziehen, drücke ich mir die Nase an der Fensterscheibe platt. Die Petersburger nennen diese Satellitenstädte Schlafsäcke, erzählt Anna. Sie sind sehr beliebt, weil sie eine super Anbindung an St. Petersburg haben und die Menschen hier eigentlich nur zum Schlafen hinkommen.
Irgendwann verlassen wir die Autobahn und fahren durch den Ort Peterhof. Das Bild vor meinem Fenster ändert sich. Die Plattenbauten verschwinden und werden durch Datschen ersetzt. „Kaum ein Petersburger bleibt am Wochenende in der Stadt“, erklärt uns Anna. „Alle fahren hinaus in ihre Datscha.“. Auf der Strasse reihen sich Porsche, Mercedes und BMW aneinander. So habe ich mir Russland nicht vorgestellt. Peterhof wirkt super westlich.
Das Schloss
Kurze Zeit später kommen wir auf dem Parkplatz vor dem Schloss an. Hier herrscht ein bunter Trubel an Touristen aller Nationen. Es ist sehr voll.
Schloss Peterhof wurde 1723 von Zar Peter dem Großen erbaut. Es war sein erstes Schloss außerhalb der noch neu gegründeten Stadt. Ursprünglich war das Schloss, wie auch der Katharinenpalast, den wir später besuchen werden, recht einfach. Peter der Große war ein einfacher Mann, erzählt uns Anna. Er hatte allerdings eine Tochter, Elisabeth, die sehr zum Glamour neigte. Sie hat aus den relativen schlichten Schlössern Zar Peters prunkvolle Paläste gemacht. Leider wurden beide Schlösser im 2. Weltkrieg stark zerstört und werden bis heute originalgetreu wiederaufgebaut.
Das Schlossgebäude mit seinen beeindruckenden Fontänen und Wasserspielen lassen wir erst einmal rechts liegen. Auch das Innere des Schlosses werden wir nicht besichtigen. Prunk gibt es später im Katharinenpalast. Anna macht mit uns eine Runde durch den weitläufigen Park.
Der Park von Schloss Peterhof
Die Große Kaskade
Auf halbem Wege werfe einen Blick zurück in Richtung der Großen Kaskade. Schloss Peterhof gilt als das Versailles Russlands, habe ich bei Wikipedia gelesen. Da ist etwas Wahres dran. „Wenn in St. Petersburg etwas golden glänzt, dann können Sie davon ausgehen, dass es Gold ist!“, teilt mir Anna mit. Sie ist meinem Blick gefolgt. Mir fällt die Kinnlade herunter. Denn es glänzt hier wirklich an jedem Gebäude und an jedem Springbrunnen.
Wir genießen ein russisches Mittagsessen
Von Peterhof geht es kurz vor Mittag weiter nach Puschkin. Das ist ein weiter Vorort von St. Petersburg. Hier gibt es erst einmal ein tolles Mittagessen mit russischen Köstlichkeiten. Ich bestelle mir Soljanka und Bortsch, Stefan isst Pelmeni und Blinis. So lecker, ich sag’s euch!
Katharinenpalast – Glamour und Bernsteinzimmer
Gut gestärkt geht es dann weiter zum Katharinenpalast. Die Touristenmengen, die uns hier erwarten, sind enorm. Kein Wunder, denn im Katharinenpalast befindet sich die Rekonstruktion des weltberühmten Bernsteinzimmers. Obwohl wir eine feste Reservierung haben, stehen wir ziemlich lange in brütender Hitze in der Warteschlange vor dem Eingang. Das ist nicht so amüsant. Zudem erzählt uns Anna, dass es eigentlich viel schönere Schlösser in der Umgebung gibt, wenn man das Bernsteinzimmer nicht unbedingt sehen möchte. Wenn wir das vorher gewusst hätten, dann hätten wir gerne auf den Trubel hier verzichtet.
Das Innere des Palasts ist beeindruckend. Wie ich schon geschrieben habe, legte „Glamour“-Kaiserin Elisabeth I. viel Wert auf Posh und Prunk. Im Katharinenpalast, von Innen und von Außen, herrscht das Prinzip „Nicht kleckern, sondern klotzen.“ Wir werden von einem Zimmer ins nächste geschoben. Und trotzdem: obwohl es super voll ist, bin ich begeistert. Ich hätte euch gerne ein paar Bilder gezeigt. Aber ehrlich gesagt hab ich keins gefunden, wo keine Menschenmassen drauf sind.
Bevor es am Abend zu einer Fahrt über die Newa geht, fährt uns Aleksij nochmal zum Schiff. Ein wenig frisch machen, etwas chillen und schon sind wir bereit für den Abend.
Auf dem Newski-Prospekt
Um 19 Uhr holen uns Anna und Aleksei wieder ab. Wir fahren direkt in die Petersburger Innenstadt. Die Sonne steht tief, so zeigt sich die Stadt von ihrer besten Seite. Wir halten an der Newa, um ein paar tolle Fotos von den prachtvollen Palästen am Ufer des Flusses zu machen.
Der Newski-Prospekt ist Petersburgs Prachtmeile. Hier verlassen wir den Bus und spazieren ein wenig über die breite Einkaufsstraße bis zur Blutkirche.
Die Blutkirche
„Ja. Das ist Russland, wie ich es mir vorgestellt habe“, denke ich, als ich kurze Zeit später vor der Auferstehungskirche – das ist der offizielle Name der Blutkirche – stehe. Eine wunderschöne Fassade mit prachtvollen Ornamenten und bunten Zwiebeltürmchen, die gen Himmel ragen. Das ist Russland für mich. Falls jetzt einer denkt, boah, Klischee. Ich bekenne mich schuldig.
So richtig alt ist die Kirche nicht. Sie wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der Stelle erbaut, an der Kaiser Alexander II. einem Attentat zum Opfer gefallen war. In einer Ecke kann man sich sogar noch die Original Pflastersteine anschauen, auf denen der Zar gelegen hat. Morbide, oder?
Warum hießen manche Herrscher eigentlich Zaren, andere wiederum Kaiser? Wer das weiß, bitte gerne in den Kommentaren schreiben.
Innen ist die Kirche genauso prachtvoll, wie ich es in St. Petersburg bisher überall erlebt habe. In russischen Kirchen gibt es übrigens keine Bänke. Man steht oder kniet den gesamten Gottesdienst über. Und so ein russisch-orthodoxer Gottesdienst, der dauert vier Stunden. Respekt!
Eine Bootsfahrt auf der Newa
Später geht wieder aufs Schiff. Aber diesmal nicht auf die AIDA, sondern auf eine Barkasse. Gut 90 Minuten werden wir durch das beleuchtete St. Petersburg gefahren. Es ist etwas kühl, aber wir bekommen gemütliche Wolldecken für die Beine. An uns vorbei ziehen die beleuchteten Paläste. Es ist einfach nur traumhaft schön. Einen solchen Ausflug solltet ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen, wenn ihr in der Stadt seid.
Der älteste Teil der Stadt: die Peter und Paul Festung
Den zweiten Tag in St. Petersburg werden wir in der Innenstadt verbringen. Es ist Sonntag. Die Stadt wirkt um 10 Uhr morgens wie ausgestorben. Die Petersburger sind alle Draußen auf ihren Datschen, erklärt uns Anna.
Während die riesigen Plattenbauten an mir vorbeiziehen, frage ich ich, wie viele Menschen hier wohl leben. Und ob die Menschen hier gerne leben. Je weniger Stockwerke so ein Gebäude hat, desto höher ist der Status, sagt Anna. Überhaupt ist Anna eine großartige Reiseleiterin. Unermüdlich erzählt sie uns von ihrem Land. Und ich sauge alles auf, wie ein Schwamm.
Die Peter und Paul Festung ist der älteste Teil der Stadt. Ich finde es hier jetzt ehrlich gesagt nicht so interessant und würde mir das nicht noch einmal anschauen wollen.
Einmal U-Bahn fahren: ein Muss!
In Moskau oder St. Petersburg muss man U-Bahn fahren! Wieso? Weil die U-Bahnstationen hier etwas ganz Besonderes sind. Ganz besonders beeindruckend sind die Bahnhöfe im „Leningrader Teil“ von St. Petersburg.
Aleksej fährt uns zur U-Bahnstation Narvskaya. Dort steigen wir aus dem Bus und sind umgeben von typisch sozialistischen Bauten. „Konstruktivismus“ nennt man diesen sachlich und schlichten Baustil der ehemaligen Sowjetunion.
Die Metrostationen, die wir besuchen, sind allerdings alles andere als schlicht und sachlich. Warum wurden sie eigentlich so prachtvoll gebaut, wenn alles andere drum herum super einfach gehalten ist? Sie sollten den Menschen auf dem Weg hin und zurück zur Arbeit etwas Glanz ins Leben zaubern, lerne ich.
Wir besuchen nacheinander drei Stationen: Narvskaya, Tekhnologichesky Institut und zuletzt Avtovo.
Kurzbesuch der Nikolaus-Marine-Kathedrale
Die Nikolaus-Marine-Kathedrale ist eine der ältesten Kirchen der Stadt. Die Kirche hat eine Unter- und eine Oberkirche, was in Russland wohl üblich ist. Die Unterkirche ist für den Alltag, die Oberkirche ist quasi die gute Stube. Sie wird nur zu besonderen Feierlichkeiten genutzt. Kenne ich von meinen Großeltern: da gab es die gute Stube, die nur benutzt wurde, wenn ganz besondere Gäste da waren. Und es gab das ganz normale Wohnzimmer, wo man sich eigentlich immer aufhielt.
Zum Mittagessen gibt es heute Beuff Stroganow. Sehr lecker. Allerdings war das Restaurant, wo wir gestern waren, deutlich schöner. Hier, wo wir heute essen, hat man das Gefühl, als Tourist nur abgearbeitet zu werden.
Der krönende Abschluss: die Isaak Kathedrale
Nach dem Mittagessen fahren wir zur letzten Station unseres Ausflugs: der Isaak Kathedrale. Sie ist nicht nur die größte Kirche St. Petersburgs, sondern auch einer der größten Kuppelbauten der Welt.
In der Kirche merke ich langsam eine mentale Müdigkeit in mir aufsteigen. Die ganzen Eindrücke der letzten Tage lassen mich Annas Ausführungen nicht mehr so ganz folgen. Die Kirche ist auch von Innen beeindruckend. Trotzdem bin ich froh, als wir wieder an die frische Luft gehen.
Während die Männer der Kirche „auf’s Dach“ zur Aussichtsplattform steigen, sitzen wir Frauen im Park und beobachten die Menschen. Die Kirche ist ein beliebtes Fotomotiv. In dem kleinen Park vor der Kirche stehen mindestens vier Brautpaare und machen Hochzeitsfotos.
Damit sind unsere zwei Tage in St. Petersburg zu Ende. Wir werden wieder zum Schiff gebracht und sind ehrlich gesagt froh, wieder in unserer geliebten Ocean Bar zu sitzen und einen Milchshake zu schlürfen.
St. Petersburg ist eine großartige Stadt. Und weniger als 2 Tage würde ich hier nicht verbringen wollen. Falls jemandem aufgefallen ist, dass wir nicht in der Eremitage waren, das war volle Absicht. Die Agentur hatte uns im Vorfeld davon abgeraten, weil es hier im Sommer, wenn die Kreuzfahrtschiffe kommen, unerträglich voll und stickig ist. Nach dem Erlebnis im Katharinenpalast bin ich auch sehr froh, dass wir den Rat befolgt haben. Und ich kann aus vollem Herzen sagen: „Ja, St. Petersburg geht auch ohne Eremitage.“. Ich habe sie nicht vermisst.
Hier haben wir die Ausflüge gebucht
Wir haben den Ausflug über die Agentur Petersburg Hautnah gebucht. Bine hatte diese als Tipp genannt bekommen. Und auch in den Facebook Gruppen wurden Sergej und sein Team immer wieder empfohlen.
Es war eine gute Wahl. Wir hatten sehr viel Spaß und haben so viel gesehen. Und unsere Reiseleiterin Anna und der Busfahrer Aleksei waren großartig. Wir können Petersburg Hautnah uneingeschränkt weiter empfehlen. Das „Rundum-Sorglos-Paket“ hat für die zwei Tage inkl. Abendausflug pro Person rund 300 Euro gekostet.
Hinweis: Das ist übrigens keine Werbung. Wir haben alles selbst bezahlt!
Hier habe ich gegessen
Khlebnikovy Taverne
Oranzhereynaya Ulitsa, 21
Pushkin, Saint Petersburg, Russland
Hier war das Essen lecker und die Atmosphäre schön. Hier würde ich immer wieder essen gehen.
Dva Mu
Sadovaya, 94
St. Petersburg 190121, Russland
Hier war zwar das Essen sehr lecker. Aber die Bedienung war mega gestresst und die Chefin war sehr unfreundlich. Allerdings hab ich bei Tripadvisor anderes gelesen. Vielleicht haben wir auch nur einen schlechten Tag erwischt.